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Mit online Assessments zur besseren Personalauswahl

HR-Experte Dr. Benjamin Haarhaus plädiert für eine evidenzbasierte Personalauswahl. Wie das funktioniert und was Unternehmen von Eignungstests haben, erklärt er im Interview.

Herr Haarhaus, wofür braucht man Eignungstests? Reichen Bewerbungsunterlagen und Vorstellungsgespräch nicht aus?

Benjamin Haarhaus: Personalern steht eine große Bandbreite an Auswahlkriterien zur Verfügung, vom Anschreiben über Lebenslauf und Zeugnissen, bis hin zu Vorstellungsgesprächen und Assessment Centern. Bei dieser Bandbreite stellt sich die Frage, welche Auswahlkriterien die spätere berufliche Leistung am zuverlässigsten voraussagen. Diese Frage lässt sich mit Daten beantworten. Insgesamt wird die Vorhersagekraft von Auswahlverfahren seit circa hundert Jahren erforscht. Dabei ist immer wieder herausgekommen, dass die beste Kombination bei der Personalauswahl aus Eignungstests und einem strukturierten Interview besteht.

Welchen Vorteil haben Eignungstests für Unternehmen im Vergleich zu klassischen Methoden?

Haarhaus: Grundsätzlich gilt: Je höher die Vorhersagekraft des Verfahrens (die sog. Validität) desto weniger Fehler passieren bei der Personalauswahl. Es gibt zwei Arten von Fehlern: entweder werden nicht geeignete Bewerber*innen eingestellt oder geeignete Bewerber*innen werden nicht eingestellt und gehen vielleicht sogar zur Konkurrenz. Beide Fehler kosten das Unternehmen Geld.
Das zweite Argument für Eignungstests ist, dass sie sehr zeit- und kosteneffizient sind. Heutzutage führt man Testverfahren häufig online durch. D.h. Unternehmen können mit sehr wenig Aufwand den Bewerberpool reduzieren und eine objektive Vorauswahl treffen.

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An welcher Stelle des Auswahlprozesses bietet sich der Einsatz von Eignungstests an?

Haarhaus: Wir empfehlen grundsätzlich, Eignungstests so früh wie möglich im Auswahlprozess einzusetzen. Man startet in der Regel mit kognitiven Tests. Gerade bei Auszubildenden und dualen Studierenden ist das sinnvoll. Zum einen bekommen Unternehmen hier meist sehr viele Bewerbungen. Da gilt es, eine möglichst effiziente Vorauswahl zu treffen. Zum anderen haben Bewerber*innen in dem Alter außer einem Schulabschluss recht wenige Informationen über ihre Leistungsfähigkeit, auf die sich Entscheider*innen stützen können. Ganz anders sieht das bei Fach- und Führungskräften aus.

Empfehlen Sie Leistungstests denn auch für Führungskräfte??

Haarhaus: Ja! Insbesondere bei Führungskräften sollten viel mehr Leistungstests durchgeführt werden. Der Zusammenhang zwischen Testergebnis und späterer Leistung ist nämlich besonders hoch, wenn die beruflichen Aufgaben sehr komplex sind, was bei Führungskräften der Fall ist. Es ist eine häufige Annahme, dass Führungskräfte vor allem viel Erfahrung haben sollten. Aber der Zusammenhang zwischen Berufserfahrung und Leistung ist erwiesenermaßen schwach. Sie wissen ja gar nicht, ob jemand seinen Job die letzten zehn Jahre gut gemacht hat oder nicht.

Der Zusammenhang von Berufserfahrung und Leistung ist erwiesenermaßen schwach. Die Leistungsfähigkeit der Kandidat*innen ist viel wichtiger für eine gute Personalauswahl.

Und wie nehmen Führungskräfte Eignungstests an?

Haarhaus: Es sind nicht so sehr die Führungskräfte, sondern die Unternehmen, die sich sträuben solche Tests einzusetzen, aus Angst, Führungskräfte zu verprellen. Im Führungsbereich werden daher eher Assessment Center als Leistungstests eingesetzt. Insgesamt nutzen in Deutschland circa 30 Prozent der privaten Unternehmen Leistungs- und Persönlichkeitstests als Möglichkeit, Personalprozesse zu digitalisieren, größere Unternehmen eher als kleinere. Im öffentlichen Sektor sind eignungsdiagnostische Verfahren viel etablierter, da die Rechtssicherheit des Verfahrens hier eine größere Rolle spielt.

Warum nutzen nicht mehr Unternehmen Eignungstests, wenn diese besser sind als andere Methoden zur Personalauswahl?

Haarhaus: Dafür gibt es mehrere Gründe. Manche Personaler*innen denken, dass bei Tests das „Menschliche“ zu kurz kommt und hören daher lieber auf ihr Bauchgefühl. Ein häufiger Einwand in Bezug auf Persönlichkeitstests ist, dass die Bewerber doch eh wissen was sie ankreuzen müssen und sich besser darstellen als sie sind. Wir wissen tatsächlich, dass sich Bewerber*innen in psychologischen Tests besser darstellen, wenn sie sich in einem Auswahl-Szenario befinden. Vor allem Merkmale wie Sorgfalt und Fleiß werden positiver dargestellt. Aber, das ist im Grunde ganz normales menschliches Verhalten, dass wir in anderen zwischenmenschlichen Interaktionen genauso finden, auch in Vorstellungsgesprächen. Schlussendlich sind die erwähnten Forschungsergebnisse in viele Personalabteilungen einfach noch nicht vorgedrungen. Hier sollte mehr Transfer erfolgen.

Können Testergebnisse nicht durch Übung oder die Tagesform verzerrt werden?

Haarhaus: Forschungsergebnisse zeigen, dass man durch Übung sein Testergebnis ein wenig verbessern kann. Nichtsdestotrotz ist man dann nicht besser, als man in Wahrheit ist, denn jeder Mensch hat seine individuelle Leistungsgrenze, die er auch durch Übung nicht überschreiten kann.
Auch der Einfluss der Tagesform ist bei Tests nicht so stark wie man vermutet. Ein sehr leistungsfähiger Kandidat oder Kandidatin wird an einem schlechten Tag immer noch relativ gute Ergebnisse erzielen. Es ist unwahrscheinlich, dass ein Topbewerber im Test vollkommen versagt.

Grundsätzlich gilt: Je höher die Vorhersagekraft des Verfahrens desto weniger Fehler passieren bei der Personalauswahl. Und Fehler sind in jeder Hinsicht teuer für das Unternehmen.

Welchen Vorteil haben die Bewerber von Eignungstests?

Haarhaus: Eignungsdiagnostische Verfahren werden bei der Personalauswahl eingesetzt, um Bewerber möglichst objektiv und frei von Vorurteilen bewerten zu können. Das kommt den Bewerbern natürlich zugute, da auch zurückhaltende Menschen die Chance bekommen, ihre Fähigkeiten zu zeigen. Interessanterweise haben auch abgelehnte Bewerber*innen durch Eignungstests einen Vorteil. Denn wenn der Test schon im Vorfeld zeigt, dass sie einer Stelle z.B. fachlich nicht gewachsen sind oder ihnen die erforderlichen persönlichen Eigenschaften als Führungskraft fehlen, würden die Bewerber*innen selbst auch nicht glücklich werden.

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Können demnach Eignungstests sogar alle klassischen Methoden ersetzen?

Haarhaus: Nein. Eignungstests sind eine evidenzbasierte Unterstützung im Auswahlverfahren. Während Leistungstests ganz am Anfang des Prozesses bei der Negativselektion bzw. der Vorauswahl helfen, eignen sich Persönlichkeitstests im späteren Verlauf sehr gut als Unterstützung für die finalen Interviews, wenn nur noch wenige, fachlich geeignete Bewerber*innen übrig sind. Entscheider*innen können das Persönlichkeitsprofil zum Beispiel nutzen, um besonders auffällige Ergebnisse gezielt anzusprechen. Sind am Ende des Prozesses nur noch geeignete Kandidaten*innen im Rennen, können und sollten Führungskräfte auch ihr Bauchgefühl mitentscheiden lassen. Denn ob zukünftige Mitarbeiter*innen ins Team passen ist ebenfalls ein entscheidender Faktor dafür, ob aus einem guten Bewerber ein erfolgreicher und zufriedener Mitarbeiter wird.

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